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Huawei Ascend P6 getestet: Dünn und edel an die Spitze?

Huawei will’s wissen: Mit dem Ascend P6 wollen die Chinesen nach ersten Gehversuchen im Premium-Segment mit dem P1 und P2 endgültig ganz vorne mitspielen. In unserem Test klären wir, ob das Flaggschiff neben einem edlen Äußeren auch mit inneren Werten überzeugt.

Wir lehnen uns vermutlich nicht allzu weit aus dem Fenster, wenn wir behaupten, dass Huawei nicht der erste Name ist, der den meisten Android-Usern in Verbindung mit Premium-Smartphones einfällt. Der chinesische Hersteller ist bislang nämlich primär mit Smartphones der Marke „günstig, aber gut“ aufgefallen, beispielsweise das Ascend Y300. Mit dem Ascend P6 wollen die Smartphone-Macher von Huawei nun beweisen, dass sie auch mit den Großen der Branche mithalten können. Der Clou dabei: Hören sich die Eckdaten des Flaggschiffs fast durch die Bank nach „Premium“ an, ist das P6 preislich eher im Mittelfeld angesiedelt: Bei einer UVP von 399 Euro hat sich der Straßenpreis mittlerweile auf knapp über 300 Euro eingependelt – wir prüfen, was das High End-Schnäppchen in der Praxis taugt.

Edler Beinahe-Handschmeichler

Der erste Kontakt mit dem Ascend P6 hat durchaus das Potenzial für einen „Wow!“-Effekt: Das Smartphone steckt in einem mit 6,2 Millimetern unglaublich dünnem Gehäuse, das schlicht und elegant wirkt. Die Front ist fast komplett aus Glas gefertigt, wobei ein kleines Stück am unteren Rand in das Aluminium-Chassis übergeht, aus dem das P6 besteht. Beim von uns getesteten weißen Modell fühlt sich dieses zwar ein wenig wie Plastik an (beim schwarzen und pinken Modell setzt Huawei auf gebürstetes Alu), wirkt aber dennoch überaus hochwertig.

Der äußere Rahmen des P6 erinnert mit seiner Metallklammer an das iPhone-Design, auch die Einschübe für Mikro-SIM und MicroSD-Karte sind ähnlich konstruiert. Die Lautstärkewippe und der Power-Knopf passen sich unauffällig in den rechten Rahmen ein und überzeugen durch einen guten Druckpunkt. Generell gibt es am Gehäuse und der Verarbeitung nur sehr wenig zu meckern. Weder auffallende Spaltmaße noch irgendein Knarzen oder Knattern trüben den guten Verarbeitungseindruck. Dass das Ascend P6 trotzdem kein vollkommener Handschmeichler ist, liegt an zwei Details: Zum einen hat Huawei seinem neuesten Baby scharfe Kanten verpasst, die ein wenig an Sonys Xperia Z erinnern. In der Kombination mit der recht glatten Rückseite resultiert dies in einem nicht immer optimalen Handling. Während das noch Geschmackssache ist, dürfte die Platzierung des Kopfhörerausgangs bei Musikfreunden für kollektives Stirnrunzeln sorgen: Statt an der Ober- oder Unterkante befindet sich dieser nämlich unten am linken Rand. Das verhindert nicht nur eine komfortable Kopfhörernutzung in der Hosentasche, sondern erschwert besonders für Linkshänder schlichtweg die Bedienung. Wir vermuten, dass die ungewöhnliche Platzierung ein Tribut an die dünne Bauweise des P6 ist, Kopfhörerfans werden dennoch wenig Freude daran haben.

Display: Top auch ohne FullHD

Entgegen dem allgemeinen Trend verbaut Huawei beim Ascend P6 kein FullHD-Panel, sondern setzt „nur“ auf eine 720p-Auflösung. In der Praxis vermissen wir die höhere Auflösung aber nicht: Bei einer Bilddiagonalen von 4,7 Zoll kommt das Smartphone auf eine ausreichende Pixeldichte von 312 PPI, wodurch selbst feine Texte auf Webseiten problemlos lesbar sind. Der LCD-Screen überzeugt auch in Sachen Helligkeit – selbst bei direkter Sonneneinstrahlung können wir immer noch genug erkennen. Schön ist auch die Möglichkeit, über die Displayeinstellungen die Farbtemperatur regeln zu dürfen. Zwar liefert das P6 schon in der Standardeinstellung eine gute Farbwiedergabe, dennoch ist die Option eine nette Dreingabe. Auch in Sachen Berührungsempfindlichkeit und Blickwinkelstabilität kann das Huawei-Smartphone mit den Topmodellen der Konkurrenz mithalten.

Übrigens verbauen die Chinesen ein so genanntes „In-cell touch“-Display, bei dem die Berührungssensoren direkt im Panel anstelle auf einer separaten Schicht liegen. Dieses auch im iPhone 5 verwendete Konzept sorgt neben einer dünneren Bauform auch für eine besonders hohe Berührungsempfindlichkeit, was sich in unseren Tests bestätigt. Kurz gesagt: In Sachen Display macht Huawei auch ohne FullHD faktisch alles richtig.

Jellybean mit „Emotions“

Ab Werk setzt Huawei beim Ascend P6 das nicht mehr ganz aktuelle Android 4.2.2 ein. Vom Jelly Bean-Unterbau merkt man aber nicht mehr allzu viel, wurde es doch mit der hauseigenen „Emotions UI“ überzogen. Die bietet einen frischeren Look als Stock-Android, der sich zudem über das „Designs“-Menü recht umfangreich anpassen lässt. Wer es einheitlich mag, wählt aus den (laut Huawei) über 100 vorgefertigten Themes, die sofort angewandt werden.

Auch beim Homescreen geht Huawei einen eigenen Weg. Emotions verzichtet auf den Android-typischen App Drawer und platziert Widgets und App-Icons direkt auf dem Homescreen – das erinnert an iOS oder auch die vom chinesischen Konkurrenten Xiaomi initiierte MIUI-Oberfläche. Ob das Konzept überzeugt, hängt vor allem von den eigenen App-Gewohnheiten ab: Wer gerne viele Programme installiert oder seinen Homescreen schlicht aufgeräumt mag, muss Ordner-Mikromanagement betreiben oder Alternativen wie den Apex Launcher nutzen. Trotz der Veränderungen fällt die Gewöhnungszeit an die Emotions-UI moderat aus. Das liegt auch daran, dass Huawei die Menüstruktur vergleichsweise übersichtlich gehalten hat: Alle Einstellungen lassen sich schnell finden, verschachtelte Optionen wie bei Samsungs aktuellen TouchWiz-Smartphones fehlen glücklicherweise. Apropos Samsung: Ähnlich der Konkurrenz aus Südkorea bietet auch das Ascend P6 einige Möglichkeiten zur Bewegungssteuerung. Diese sind aber eher überschaubar: So können Anrufe durch Hochheben des Handys angenommen oder auf Wunsch durch umdrehen Stumm geschaltet werden. Während diese Extras tatsächlich praktisch sein können, empfinden wir das Wechseln des Hintergrundbildes durch Schütteln des Handys als zweifelhaftes Gimmick. Natürlich lassen sich alle Bewegungsfeatures auf Wunsch auch abschalten.

Insgesamt hinterlässt die Emotions-UI einen gemischten Eindruck. Einerseits sorgen die optischen Anpassungen vor allem im Vergleich zum drögen Stock-Android für einen frischen Wind, andererseits bringen die Änderungen an der Bedienung nur wenig Vorteile. Da Android aber nahezu alle Standardkomponenten austauschbar macht, lassen sich diese Schwächen zum Glück leicht beseitigen.

Mittelfeld-Performance

Im Gegensatz zum Großteil der Konkurrenz setzt Huawei bei CPU und Grafikeinheit des Ascend P6 auf eine Eigenentwicklung. Auf dem Papier klingt der mit 1,5 GHz getaktete Vierkern-SoC namens K3V2 in Kombination mit den 2 GB Arbeitsspeicher nach genug Leistung. In der Regel trifft das auch zu, lässt sich das P6 doch meist flüssig bedienen. Hin und wieder stoßen wir beim Öffnen von Apps oder beim Wischen durch die Homescreens aber dann doch wieder auf die kleinen Ruckler, die man auch unter Android im Jahr 2013 eigentlich nicht mehr erleben will. Dieser Eindruck wird subjektiv auch noch durch die träge Animation verstärkt, mit der das Smartphone den Wechsel vom Hoch- ins Querformat quittiert. Das P6 fühlt sich einfach nicht so schnell an, wie ein HTC One oder Galaxy S4. Fällt dies beim Mailen und Surfen in der Praxis nur den pingeligsten Android-Usern auf, werden anspruchsvolle Zocker tatsächlich nur wenig Freude am Ascend P6 haben. Aufwändige 3D-Titel wie Shadowgun oder Real Racing 3 werden mindestens von kleinen Rucklern gestört und sind schlimmstenfalls unspielbar. Selbst das vorinstallierte Jetski-Rennspiel Riptide GP wird in hitzigen Situationen zur Standbild-Orgie – bei der GPU hat Huawei eindeutig gespart. Das gilt übrigens leider auch für den mit 8 GB nicht eben üppig dimensionierten Hauptspeicher für Apps und Medieninhalte. Der sequenzielle Lesetest von Androbench 3 ergibt, dass das P6 die Daten mit lediglich 25 MB pro Sekunde holt. Zum Vergleich: Das HTC One erreicht hier fast 60, das Samsung Galaxy S4 sogar über 70 MB pro Sekunde. In der Praxis macht sich der langsame Speicher vor allem beim Laden von Apps bemerkbar, die bei der Konkurrenz in der Regel deutlich schneller auf dem Display erscheinen. Die anderen Performance-Benchmarks untermauern den insgesamt biederen Eindruck. Mit knapp über 15.000 Punkten im Antutu Benchmark rangiert das P6 sogar noch knapp hinter dem älteren Nexus 4. Zwar gibt es bei weitem langsamere Androiden, mit der Oberklasse kann Huawei aber definitiv nicht mithalten.

Multimedia-Allrounder

Beim Blick aufs Datenblatt des P6 sticht ein Wert besonders hervor: Die Fronkamera, der Huawei einen 5 Megapixel-Sensor spendiert hat. Wer sich davon aber besonders detaillierte Selfies erhofft, wird enttäuscht. Zwar erlaubt die Kamera ordentliche Selbstporträts, einen echten Mehrwert gegenüber den branchenüblichen 2 MP-Modellen konnten wir aber nicht feststellen. Die Hauptkamera macht mit ihrem 8 Megapixel-Sensor einen ordentlichen Job.

Bei Tageslicht produziert das Ascend P6 ausgezeichnete Fotos, die qualitativ locker mit den meisten Kompakt-Knipsen mithalten. Bei Dämmerung und anderen Low-Light-Situationen kreiert der voreingestellte „Smart“-Aufnahmemodus automatisch HDR-Aufnahmen, um mehr Licht einzufangen. Das funktioniert auch vergleichsweise gut – zumindest, wenn man mit ruhiger Hand fotografiert. Mangels optischem Bildstabilisator werden die Bilder leider öfters unscharf. Verzichtet man auf HDR, neigen Bilder bei wenig Licht zum Smartphone-typischen Rauschen. Generell platziert sich die Kamera des Ascend P6 im Android-Mittelfeld. Praktisch: Dank DLNA-Unterstützung können Fotos und Videos drahtlos auf kompatiblen Fernsehern wiedergegeben werden.

Generell sind wir von den vorinstallierten Mediaplayern begeistert. Die Video-App spielt von SD-DivX bis hin zu MKV-Dateien im FullHD-Format nicht nur alles ab, sondern holt sich die Inhalte auf Wunsch auch direkt aus dem Netzwerk. Auch der Musikplayer kann sich sehen lassen. So bietet er nicht nur eine übersichtliche Navigation, sondern unterstützt auch den Dolby Mobile-Standard sowie eine Reihe von Equalizer-Voreinstellungen (die allerdings nicht angepasst werden können). Alles in allem macht das Ascend P6 als Multimedia-Allrounder eine gute Figur.

Kurzläufer mit Sendeschwäche

Bislang gab es vergleichsweise wenig an der Ausstattung des Ascend P6 auszusetzen. Beim Blick auf die Sendeleistung stellt sich aber – zumindest im Vergleich mit anderen Top-Smartphones – Ernüchterung ein. So funkt das Huawei-Smartphone nicht im zukunftssicheren LTE-Netz und selbst der 3G-Downstream ist mit maximal 21 Mbit/s alles andere als zeitgemäß (selbst das 2012 zum vergleichbaren Preis veröffentlichte Nexus 4 erreicht in den gut ausgebauten HSDPA+ Netzen einen Downstream von bis zu 42 Mbit/s).

Eher mau ist die Sprachqualität des P6: Im getesteten Vodafone-Nutz hörten sich unsere Gesprächspartner oft etwas blechern an. Auch bei den anderen Funktechnologien hat Huawei gespart: Während der Verzicht auf NFC in der Praxis vieler User wohl noch vertretbar ist, sorgt die fehlende Bluetooth 4.0-Unterstützung für Kopfschütteln – besonders, weil die aktuelle API für eine besonders energieeffiziente Kommunikation via Bluetooth sorgt. Das könnte sich in der Praxis als wichtig erweisen, denn der (fest verbaute) Akku des Ascend P6 ist mit 2.000 mAh nicht allzu üppig dimensioniert. In unserem Test kamen wir häufiger in die Situation, das Smartphone schon vor Ende des Tages an die Steckdose zu klemmen. Dabei war der Bildschirm rund drei Stunden eingeschaltet und das Ascend P6 die wurde größtenteils zum Surfen und Mailen verwendet. Als tatsächlich hilfreich hat sich der optional zuschaltbare Energiesparmodus geholfen. Der geht zwar zulasten der Alltagsleistung, sorgt aber für eine merklich längere Laufzeit. Der Battery Benchmark bestätigt unsere Einschätzung: Nach 6 Stunden und 41 Minuten gehen beim P6 die Lichter aus – kein schlechter, aber auch kein wirklich guter Wert. Wer nicht laufend auf sein Smartphone schielt, dürfte mit dem Ascend P6 trotz allem einen typischen Tag überstehen.

 

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