Früher war alles besser? Nicht ganz, doch zumindest die Welt der Computerspiele hatte noch einen ganz anderen Charme. Egal ob Nintendo NES, MegaDrive oder Apple Classic: Mit Emulatoren könnt ihr die Vergangenheit wieder zum Leben erwecken. Der Mini-PC Raspberry Pi eignet sich hervorragend dafür, und auch am Mac ist Retrogaming möglich.
Die 1980er- und frühen 1990er-Jahre waren das goldene Jahrzehnt der Heimcomputer und Spielekonsolen: Aus heutiger Sicht kaum mit der Leistung eines Billighandys ausgestattet, sorgten Atari 2600, C64, Nintendo NES und natürlich Amiga 500 und der klassische Mac für unendlichen Spielspaß in den Kinder- und Jugendzimmern der Republik. Kein Wunder: Die Spieleentwickler, auf die leistungsschwache Hardware beschränkt, legten Wert auf Spieltiefe und hohe Qualität, was einen bleibenden Eindruck bei vielen Usern, die damals jung waren, hinterließ. Anders als moderne Popcorn-Blockbuster-Ware der großen, milliardenschweren Spielestudios kamen seinerzeit viele Titel von kleinen Firmen oder direkt vom Herzen eines Entwicklers – und hatten gerade deshalb deutlich mehr Charme als die von Marketing und Controlling forcierte x-te Fortsetzung eines erfolgreichen Titels heute. „Spieleentwicklung mit Herz“, ein Prinzip, das auch heute noch auf iOS-Geräten funktioniert und Smartphone-Klassiker wie Angry Birds, Plants vs. Zombies oder das grandiose Plague Inc. hervorgebracht hat.
Wo war noch gleich mein Super Nintendo?
Wenn ihr jetzt Lust bekommen habt, eure alte Spielmaschine auszupacken, um eine Runde Super Mario Kart oder Giana Sisters zu zocken, dürftet ihr allerdings enttäuscht sein: Selbst wenn ihr das Gerät noch besitzt, ist fraglich, ob die Maschine noch funktioniert. Genau wie jedes andere technische Gerät sind auch alte Computer und Konsolen nicht unerheblichen Alterungsprozessen ausgesetzt. Insbesondere magnetische Datenträger wie Disketten und Datasetten sind nach 20 oder sogar 30 Jahren Nichtbenutzung höchstwahrscheinlich nicht mehr zu gebrauchen, auch die Hardware dürfte sich nach derart langer Zeit der Nichtbenutzung in einem Zustand fortgeschrittener Hardware-Verwesung befinden, da Staub und Luftfeuchtigkeit an mechanischen und elektronischen Teilen genagt und vielleicht sogar das Plastik angegriffen haben. Und selbst, wenn es euch gelingt, das Gerät in Betrieb zu nehmen, kommen euch mangels HD-Optimierung spätestens beim Anschluss an einen aktuellen Fernseher oder Monitor die Tränen, weil eine antike Auflösung von 320 x 240 Pixeln auf 40 Zoll einfach nur bescheiden aussieht.
Raspberry Pi als All-in-one-Retrorechner
Zum Glück gibt es eine Lösung für das Problem, ganz ohne die alte Hardware reaktivieren zu müssen: Mithilfe von Emulatoren lassen sich die Spieleklassiker recht umstandslos mit moderner Hardware nutzen. Zwar gibt es eine Reihe von Emulatorprojekten für den Mac, etwa OpenEmu für klassische Spielekonsolen, FS-UAE für Amiga-Systeme oder Mame/Mess für alte Arcade-Automaten, zudem gibt es eine aktive Emulator-Szene für zahlreiche andere Klassiker unter Mac OS X, richtig Freude macht die Emulation jedoch erst, wenn sie „out of the box“ funktioniert wie die alten Spielekonsolen und Heimcomputer. Hier kommt der Mini-PC Raspberry Pi ins Spiel: Für rund 50 Euro Anschaffungskosten – alles, was Sie für den Grundbetrieb benötigen, ist die Raspberry-Pi-Platine, ein Gehäuse, eine SD-Karte sowie ein Micro-USB-Netzteil sowie USB-Tastatur und -Maus – erhaltet ihr einen Multi-Emulator für alle relevanten Konsolen- und Heimcomputersysteme zwischen 1978 und 1993. Für diesen gibt es verschiedene Emulatorpakete, darunter ChameleonPi und RetroPie, die eine Reihe von Emulatoren auf einen Rutsch auf dem kleinen Raspberry installieren: Neben Amiga, NeoGeo, Super Nintendo und vielen anderen Klassikern ist darunter auch Basilisk II, der klassische Macs bis Mac OS 8.1 emulieren kann.
RetroPie für Noobs
Um den RetroPie-Emulator verwenden zu können, müsst ihr zunächst Raspbian OS auf dem Raspberry Pi, genauer gesagt auf einer SD-Karte, die dem Raspberry als Festplatte dient, installieren. Am einfachsten geht das mit dem Noobs-Installer, den ihr auf der Raspberry-Pi-Website findet: Dieser muss nur auf eine frisch formatierte SD-Karte mit dem Noobs-Installer bespielt und in den Raspberry Pi eingelegt werden, im folgenden Installer-Menü könnt ihr das Raspbian-Betriebssystem – das übrigens ein vollwertiges, für den ARM-Prozessor des Raspberry Pi optimiertes Debian ist – auswählen. Ist Raspbian installiert, könnt ihr euch wahlweise per Terminal vom Mac aus auf den Raspberry verbinden oder direkt auf dem Raspberry Pi die Eingaben machen, um RetroPie zu installieren. Einmal aufgesetzt, könnt ihr aus zahlreichen Emulatoren wählen – und zum Beispiel auch einen Retro-Mac einrichten, der direkt an Ihrem Fernseher oder einem Monitor mit HDMI-Anschluss läuft.
Spaß für ambitionierte Bastelfreaks
Die im RetroPie-Projekt gelieferten Emulatoren sind außerordentlich flink und praktisch. Statt zahlloser Vintage-Computer und -Konsolen benötigt ihr nur noch den kleinen Raspberry Pi, um einen der alten Spieletitel zum Leben zu erwecken. Allerdings setzt RetroPie nach der Installation noch einige Konfigurationsschritte voraus: So tauchen nur Emulatoren im Startmenü auf, für die auch ROMs existieren, zudem müssen die Tasten für das Gaming gesetzt werden. Hier ist es sinnvoll, ein Gamepad an dem Gerät zu verwenden – RetroPie erkennt USB-Gamepads „out of the box“. Zudem kann es passieren, dass ihr noch diverse Kleinigkeiten im Linux-Terminal von Raspbian erledigen müsst. Nicht alle Emulatoren des Pakets laufen von sich aus perfekt, zudem benötigt ihr bei den Heimcomputer-Emulatoren – also auch dem Mac-Emulator Basilisk II – ein ROM, um das System überhaupt zu starten. Zudem müsst ihr anschließend noch ein klassisches Mac OS installieren, das ihr direkt bei Apple erhaltet. Natürlich ist ein Emulations-System – gerade auf dem Raspberry Pi – nichts für schwache Nerven. Kommandozeilen-Kenner können dem Mini-PC aber durchaus interessante Projekte entlocken. Wem das zu knifflig ist, der kann einmal einen Blick auf DOSBox und ScummVM werfen: Mit beiden Emulatoren lassen sich viele Spieleklassiker der 80er und 90er auf dem Mac ausführen.
Unterschied: Emulation und Virtualisierung
Fast alle Mac-Nutzer kennen Parallels, Virtual-Box und andere Tools dieser Art, die es erlauben, Windows-Software auf dem Mac mithilfe einer sogenannten Virtualisierung auszuführen. Emulatoren gehören jedoch nicht zu dieser Kategorie: Während Parallels und Co. Hardware mitverwenden, die auch auf dem Gastgeber-System, also etwa dem Mac, vorhanden ist – etwa die Intel-CPU oder die Grafikkarte –, bildet ein Emulator das komplette System samt CPU, aller Hardwarekomponenten und Chips nach. Das ist rechenintensiv: Während Parallels selbst auf einfach ausgestatteten Macs flott läuft, werden Emulatoren trotz der Nachbildung oft 20 Jahre alter Hardware nicht selten von Performance-Problemen gequält, weil hoch spezialisierte Prozessoren nachgebildet werden müssen.
Game Backup Device: Firmwares und ROMs
Ohne ROM keine Emulation: Wenn ihr RetroPie sinnvoll nutzen möchtet, müsst ihr ROMs nutzen, also Abbilder von Hardware-Modulen. Dabei kann es sich um Firmwares oder Videospiele handeln. Und auch, wenn diese selbst bei alten PCs weiterhin urheberrechtlich geschützt sind, besteht in der Regel kein ernsthaftes Interesse der Hersteller mehr an solchen Dateien, weil diese ohnehin nicht mehr verkauft werden können, sind sie sogenannte Abandonware. So bewegen sich die allerorten im Web erhältlichen ROMs in einer rechtlichen Grauzone: Einerseits vom Urheberrecht der Rechteinhaber geschützt, ist eine Verfolgung durch diese mangels wirtschaftlichem Schaden eher selten. Dennoch solltet ihr, wenn ihr ROMs herunterladet, immer im Hinterkopf behalten, dass es sich dabei um urheberrechtlich geschütztes Material handelt. Wenn ihr euch absichern möchtet, könnt ihr jedoch eigene ROMs eurer Videospiele erstellen: Alles, was ihr dazu braucht, ist ein „Game Backup Device“, was jedoch hierzulande nur schwer erhältlich ist.
Bastelarbeit: Das ist der kleinste Mac der Welt
Was mit dem Raspberry Pi und dem Emulator-Paket RetroPie möglich ist, zeigt das Bastel-Projekt des Retro-Mac-Podcasters John Leake: Er baute mithilfe des Mini-PCs und ein wenig Laubsägearbeit einen voll funktionstüchtigen Original-Mac von 1984 im Kleinstformat nach. Der gegenüber dem Original auf ein Drittel geschrumpfte Mini-Mac arbeitet auf Basis des Basilisk-II-Emulators. Wir finden: eine coole Idee, die zum Nachbauen einlädt!