Ginge es nach Apple, gehörte das iPad so sicher in den Schulranzen wie das Pausenbrot. In den Niederlanden findet an speziellen „Steve-Jobs-Schulen“ sogar bereits ein vitueller Unterricht via iPad statt. An deutschen Schulen sieht es derzeit noch anders aus. Wir sprachen mit Lehrern und Projektverantwortlichen an Bildungseinrichtungen über Mittel und Möglichkeiten mit dem iPad in der Schule.
Die Niederlande haben es vorgemacht. Dort hat die Stiftung „The Education for a New Era Foundation“ an den ersten „Steve-Jobs-Schulen“ den Unterricht via iPad eingeführt. Statt wie bisher durch einen Lehrer unterrichtet zu werden, beziehen die Schüler den Lernstoff via Tablet. Der Lehrer fungiert dabei primär als Coach, der die Lernfortschritte seiner Schützlinge überwacht und Anregungen gibt. Doch ist das auch wirklich sinnvoll? Welche Fallstricke birgt so ein Konzept? Und wie kann man ein Tablet-Projekt am besten selbst realisieren?
Um ein Tablet-Projekt an einer Schule zu starten, bedarf es meist einiger Mühe. Egal, ob man Schüler, Elternteil oder Lehrer ist, es müssen alle Beteiligten überzeugt werden, mitzumachen oder zumindest das Projekt zu tolerieren. Die Hardware-Ausstattung kann noch so professionell, die Teilnehmer noch so geschult und die Intention noch so löblich sein, ohne die Zusammenarbeit aller wird es nicht funktionieren. Unumstritten ist die nötige Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler. Nur der Weg dorthin birgt einiges an Diskussionsbedarf. Unsere Kinder sollen sich in der digitalen Welt genauso zurechtfinden wie in der analogen. Schließlich lernen sie für das Leben und nicht für die Schule.
Warum gerade das iPad?
Kaum ein Beruf kommt heute noch ohne den Einsatz von Computern aus. Auch sollten Kinder die Möglichkeiten des Internets anzuwenden wissen, genauso wie sie die Gefahren dort erkennen müssen. Computer sind dabei nur Mittel zum Zweck und nicht Ziel des Lernens. Betriebssysteme ändern sich. Windows-Nutzer wissen vielleicht nicht mit Linux umzugehen, aber in den Anwendungen finden sie sich ohne Umstände, unabhängig vom System, zurecht. Gesucht wird also ein Lernmedium, das all das ermöglicht, ohne dass das System die Arbeit erschwert. Keine Treiber, keine Viren und keine sich selbst installierenden Updates, die immer genau dann einen Neustart erfordern, wenn die Arbeit gerade beginnen soll. Zudem sollte das Gerät keine Zeit beim Einschalten vergeuden, intuitiv bedienbar und möglichst den ganzen Schultag lang mobil sein. Betriebssystem und Apps sollten sich auf Knopfdruck selbst aktualisieren. Das klingt nicht nach Zukunft, das klingt nach iPad.
Der oft kritisierte geschlossene Kosmos des App Stores und des iPad sind im Schulalltag eher ein Vorteil. Alle Apps im iTunes-Store sind geprüft. Das geschlossene System – hard- wie softwareseitig – bietet zudem erheblich weniger Fehlerpotenzial und eine bessere Unterstützung der Entwickler. Dank einheitlicher Hardware-Voraussetzungen können Sie das komplette Potenzial der Geräte nutzen und müssen sich nicht auf einen kleinen gemeinsamen Nenner beschränken. Lehrer, die um ihre Arbeitsblätter aus den letzten Jahren bangen, können bereits im Vorfeld beruhigt werden. Sie können weiterhin mit Papier arbeiten, ohne das iPad-Projekt zu gefährden. Die Schüler können mit der passenden App wie zum Beispiel TinyScan die Arbeitsblätter selbst ohne Aufwand digitalisieren und mittels GoodReader oder ähnlichen Apps auch ansehen und verwalten.
(Von den ungefähr 34.500 allgemeinbildenden Schulen in Deutschland nutzt derzeit nur knapp ein halbes Prozent das Tablet im Unterricht. Ein Großteil dieser 160 Schulen, nämlich 120, setzt dabei das Apple iPad ein. Wie sich das iPad und ein Windows-Tablet im Unterricht schlagen, zeigt folgendes Video.)
Die Anschaffung
Wenn alle Zweifel ausgeräumt sind und die Wahl auf ein iPad-Projekt gefallen ist, steht die erste Grundsatzentscheidung an: Soll jeder Schüler ein iPad erhalten (One-to-one), oder kauft die Schule einen Klassensatz und setzt ihn in einzelnen Projekten ein (One-to-many)? Spätestens hier empfiehlt es sich, ob des großen Investitionsbedarfs professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Der mStore zum Beispiel betreibt eine eigene Bildungsabteilung, die Schulen bundesweit bei der Planung und Realisierung unter die Arme greift. Auch Apple selbst bietet unter www.apple.com/de/buy/ase/education beratende Hilfe an. Alternativ kann man sich auch an freie Berater wie eringo.de wenden. Die verkaufen zwar keine Hard- oder Software, kennen sich dafür aber mit Schule, den iPads und möglichen aktuellen Konjunkturpaketen oder EFRE-Mitteln aus, das die Beteiligten größtenteils selbst Lehrer sind. Mit Apples Zertifikat als Apple Professional Development Experte dürfen sie auch Schulungen anbieten.
Dadurch und durch die Beratung entstehen weitere Kosten. Dieses Geld ist aber, je nach eigenem Kenntnisstand, gut angelegt. Da der Berater gerade nicht zur Hand ist, gucken wir uns die Vor- und Nachteile der One-to-one- und der One-to-many-Variante schon einmal an. Bei der One-to-many-Lösung kauft die Schule einen Klassensatz iPads und setzt diese schulübergreifend themenbezogen ein. Vorteilhaft ist hierbei die größere Anzahl Schüler, die in den Genuss des iPad-Einsatzes kommen. Die Grundschule Bardowick in der Nähe Lüneburgs macht das zum Beispiel so. Doch nicht jede Schule hat einen so engagierten Lehrer, der zwar Topfstunden dafür erhält, aber auch noch Teile seiner Freizeit für die Wartung opfert. Selbst mit einer Lade- und Synchronisationseinrichtung von AixConcept, Mobile-IT oder Parat die mit mindestens 100 Euro pro iPad den Etat belasten, ist ein Lehrer damit gut ausgelastet. Zudem gehen Schüler mit Schuleigentum nicht immer sehr sorgsam um, was zu einer erhöhten Anzahl an Defekten führen kann. Vorteilhaft sind dagegen die immer aktuellen und synchronen iPads. Das Kurt-Körber-Gymnasium setzt auf die One-to-one- Variante. Die Schule hat die iPads gekauft und stellt sie den Schülern für zwei Jahre direkt zur Verfügung – auch privat. Damit sind die Schüler für die Wartung und Aktualisierung zuständig und können sich natürlich viel intensiver mit dem iPad auseinandersetzen. Schattenseiten gibt es aber natürlich trotzdem. Auch wenn es in Hamburg offiziell noch nicht vorgekommen ist: Schüler, die planmäßig rund 600 Euro im Ranzen mit sich herumtragen, sind der Gefahr eines Überfalls ausgesetzt. Die städtische Gemeinschaftshauptschule Effey setzt auf eine Mischung aus beiden Varianten. Zwar stellt die Schule ihren Schülern das iPad direkt zur Verfügung, aber die Geräte verbleiben in der Schule.
Bei allen Varianten kann die Schule die Apps mit Mengenrabatt über Apples Volume Purchase Programm erwerben. Da die Apps Apple-ID- und nicht gerätebezogen sind, verbleiben sie, außer bei Verlust des iPad, auch im Besitz der Schule. Das ist nicht so, wenn die Eltern das iPad kaufen, wie zum Bespiel an der Realschule am Europakanal. Dann kann die Schule zwar trotzdem am VPP teilnehmen, die Lizenzen gehen aber auf die Schüler über. Im Gegenzug hat die Schule nur die Kosten der Infrastruktur zu tragen und spart sich das Geld für die iPads.
Die Inhalte
Egal, für welche Variante man sich entscheidet: Der Unterrichtseinsatz ist prinzipiell der gleiche. Ein Lehren wie mit einem Schulbuch ist mit einem iPad weder möglich noch wünschenswert. Zwar bietet die VBM Service GmbH, ein Zusammenschluss der wichtigsten deutschen Schulbuchverlage, unter der URL digitale-schulbuecher.de digitale Eins-zu-eins-Kopien von bisher rund 1000 gedruckten Werken, aber die passende iOS-App ist laut Geschäftsführer Christoph Bornhorn immer noch in der Entwicklung. Einzelne Verlage haben allerdings angedeutet, dass inzwischen eine stabile Betaversion der App in der Prüfung ist. Es besteht also Hoffnung, die schweren Ranzen in Zukunft zu erleichtern. Zurzeit sind die Schulbücher auf dem iPad aber nicht nutzbar. Das wäre auf der einen Seite gar nicht schlimm, gibt es doch zahllose Apps, die im Unterricht genutzt werden könnten. Doch die Betonung liegt auf dem Konjunktiv. Zum einen hängt es stark von Klassenstufe, Fach und Unterricht ab, ob sie den Schülern wirklich weiterhelfen. Zum anderen haben diese Apps natürlich keine Freigabe durch ein Kultusministerium. Das ist per se zwar kein Ausschlusskriterium, aber erfordert schon einen anderen Umgang als mit einem Schulbuch. Stefan Spohn von der Grundschule Bardowick hält die meisten Apps, die er bis jetzt ausprobiert hat, eher für ungeeignet für den Unterricht an einer Grundschule. Einzige Ausnahme sind die Leselern-Apps vom Mildenberger Verlag und die Apple-eigenen, eher fachfremden Apps, wie Keynote, Kamera und Ähnliches. Jan Ulmer von Eringo ist prinzipiell der gleichen Meinung und hält viele Apps für ideale Lern-Apps abseits der Schule. Im Unterricht setzt er aber auch eher auf die Apple-Programme. Die meisten Apps animieren die Kinder sicherlich, eine Aufgabe mehr zu machen als nötig, beschränken sich aber auf die Abfrage von Wissen und kümmern sich weniger um die Vermittlung und Vernetzung desselben.
Das Potenzial des iPad ist die Verknüpfung von Audio-, Bild-, Text- und Videomaterial per Fingertipp, egal ob zu Recherchezwecken oder um eine Präsentation beziehungsweise eine Dokumentation zu erstellen. Der einfache Abruf von Unmengen an Informationen im Internet bedarf eines neuen Lehransatzes. Heute sind in zehn Minuten mehr Informationen zu einem Thema zusammengetragen als vor 20 Jahren in einer Woche. Es geht daher weniger um das Sammeln von Informationen als verstärkt um ihre Wertung und Klassifizierung. Doch bevor wir uns in die didaktischen Untiefen der Wissensvermittlung begeben, bleiben wir doch lieber bei den praktischen Vorteilen des iPad-Einsatzes im Unterricht und was dafür, neben dem Gerät, noch benötigt wird.
Der Internetzugang
Neben dem iPad selbst ist der Internetzugang sicherlich das Wichtigste. Damit jeder vom iPad-Projekt genutzte Klassenraum auch mit einem Internetzugang versehen ist, benötigt die Schule ein professionelles WLAN. Auch wenn Apples AirPort-Basis in der Theorie gleichzeitig 50 Clients versorgen kann, geht es zuverlässiger und zügiger mit speziellen Geräten von Aerohive oder TIME for kids. Beim Internetzugang sollte sich die Schule auch überlegen, ob ein ungefilterter und damit ungeschützter Zugang ratsam ist. Die Hauptschule Effey setzt zum Beispiel auf den Schulrouter Plus von TIME for kids. Darauf läuft der Schulfilter Plus und trennt das Schüler- vom Lehrer-Internet. Ob es pädagogisch sinnvoll ist, Teile des Internets von den Schülern fernzuhalten, steht auf einem anderen Blatt. Der Vorteil ist aber die Eigenkontrolle durch den Lehrer. Er kann auch alles zulassen und nur bei Klausuren die Einschränkungen auf eine Formelsammlung setzen. Genau hier liegt der Vorteil nicht nur eines selbst zu steuernden Internetfilters, sondern des gesamten iPad-Projekts.
Es muss nicht immer das iPad sein
Es geht nicht darum, auf Biegen und Brechen das iPad im Unterricht einzusetzen und alle angestammten Bildungswege über den Haufen zu werfen. Das iPad soll die Medienvielfalt vergrößern und dort, wo es sinnvoll ist, den Unterricht bereichern. An der Grundschule Bardowick hat zum Beispiel die Englisch-AG ihr Theaterstück mit dem iPad gefilmt und diesen Film später dann wieder im Unterricht eingesetzt. Außerdem bietet sie neuerdings eine Hörbuch-AG an. Das schult nicht nur den Umgang mit dem iPad, sondern fördert selbst bei leseschwachen Schülern die Motivation, ein Buch vorzulesen. Das iPad muss flexibel da eingesetzt werden, wo es seine Stärken ausspielen kann. Es ist sicherlich ein Weg, um den Schulkopierer zu entlasten, aber oft genug ist der traditionelle Weg mit Papier und Stift der bessere.
Welche Apps besonders gut für Schüler und Lehrer geeignet sind, zeigen wir in unserer Bildergalerie: