Angenommen ihr ladet euch ein kostenpflichtiges Hörbuch, ein E-Book oder einen Song herunter und möchtet diese "gebrauchte" Datei weiterverkaufen - wie sieht dabei eigentlich die rechtliche Lage aus? Das Oberlandesgericht Hamm hat dazu am 15. Mai ein Urteil gefällt. Dr. Remmertz, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, klärt euch auf.
Nach dem Urteil des EuGH vom 03.07.2012 (C-128/11) und des BGH vom 17.07.2013 (I ZR 129/08) zur Zulässigkeit des Vertriebs „gebrauchter Software“ wird verstärkt diskutiert, ob man nicht auch E-Books, Hörbücher, Musikdateien, Video-Clips und Computerspiele nach dem Download weiterverkaufen kann, selbst wenn die Rechteinhaber dies in ihren AGBs ausgeschlossen haben. Denn rein wirtschaftlich gesehen, so wird argumentiert, mache es keinen Unterschied (mehr), ob man ein Buch im Laden kauft oder sich ein eBook aus dem Netz downloadet. Die Rechtsprechung sieht jedoch entscheidende rechtliche Unterschiede und lehnt eine Parallele zu Software ab, wie das OLG Hamm mit Urteil vom 15.05.2014 – Az. 22 U 60/13 – erneut bestätigt hat.
Was ist „Erschöpfung“?
Der Käufer eines Buches wird Eigentümer und kann es neu oder gebraucht ohne Probleme weiterverkaufen. Wenn ein Werkstück mit Zustimmung des Urhebers einmal in den Verkehr gelangt ist, kann es frei weiterveräußert werden. Das Recht, die Weiterverbreitung zu verbieten, hat sich insoweit „erschöpft“. Bei online erworbenen Büchern (eBooks) ist das längst nicht der Fall, da die Rechteinhaber in ihren AGBs den Weitervertrieb oftmals ausschließen. Dadurch wollen sie einen lukrativen Zweitverwertungsmarkt verhindern oder zumindest erschweren.
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Im Falle von Software hat der EuGH den Weg für einen solchen Zweitverwertungsmarkt frei gemacht und entschieden, dass sich das Verbreitungsrecht an der Software „erschöpft“, wenn dieses vom Nutzer unter bestimmten kaufähnlichen Bedingungen heruntergeladen wird (EuGH, Urt. v. 03.07.2012 – C-128/11 – UsedSoft). Voraussetzung für den zulässigen Weiterverkauf von Software ist unter anderem, dass durch den Erstverkauf eine angemessene Vergütung (praktisch als „Kaufpreis“) erzielbar ist und der Ersterwerber seine Kopie nach dem Weiterverkauf unbrauchbar macht. Die erste Voraussetzung könnte man bei eBooks durchaus annehmen, da die Preise für den Download teilweise nur 10 Prozent geringer sind als für die jeweilige Printausgabe. Aber schon bei der zweiten Voraussetzung stoßen wir in der Praxis auf Schwierigkeiten.
Wie entschied das OLG Hamm?
Ein Online-Versandhändler hatte dem Kunden in AGBs nur ein einfaches, nicht übertragbares Nutzungsrecht ausschließlich für den eigenen privaten Gebrauch einngeräumt und ihm damit untersagt, Kopien weiter zu veräußern. Das OLG Hamm hält dies in seinem Urteil vom 15.05.2014 für zulässig. Wie schon zuvor andere deutsche Gerichte, z.B. das OLG Stuttgart (Urt. v. 03.11.2011 – 2 U 49/11), wird eine Erschöpfung beim Online-Vertrieb von Hörbüchern abgelehnt.
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Durch den Download einer Datei und der Speicherung auf einem Datenträger trete keine Erschöpfung des Verbreitungsrechts ein. Denn dies setze nach den zugrundeliegenden EG-Richtlinien ausdrücklich die gegenständliche Verkörperung eines Werkes, z.B. auf einem Datenträger wie CD oder DVD voraus. Dies sei bei einem reinen Download nicht der Fall. Die UsedSoft-Entscheidung des EuGH sei nur auf Software und nicht auf andere digitale Inhalte anwendbar, da es für Software eine Spezialregelung gebe.
Praxishinweis:
Das Urteil ist eine gute Nachricht für Urheber und Verlage, eine schlechte für Wiederverkäufer. Es lässt sich auch auf andere digitale Inhalte wie eBooks, MP3-Dateien oder Videos übertragen. Urheber und Verlage können in ihren AGBs also zunächst auch weiterhin den Weiterverkauf von diesen digitalen Gütern verbieten. Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen, da eine Entscheidung des BGH oder des EuGH noch aussteht. Das OLG Hamm hat in seinem Urteil vom 15.05.2014 die Revision zum BGH zwar nicht zugelassen. Es ist aber zu erwarten, dass BGH oder EuGH in ähnlich gelagerten Fällen über diese striitige Frage entscheiden werden. Sollte der Weg der Erschöpfung durch die Rechtsprechung nicht möglich sein, bliebe als Ausweg eine Gesetzesänderung, da es wirtschaftlich gesehen kaum zu rechtfertigen sein wird, den Kauf von eBooks auf Dauer rechtlich anders zu bewerten als den Kauf von Printausgaben.